Warum gibt es in Dresden so wenige Zebrastreifen?

Dass es in Dresden vergleichsweise wenige Zebrastreifen gibt, hat mehrere Gründe, die teils mit stadtplanerischen Entscheidungen, verkehrstechnischen Überlegungen und rechtlichen Rahmenbedingungen zusammenhängen:

1.  Verkehrsfluss hat Priorität

Dresden legt – wie viele ostdeutsche Städte – oft Wert auf einen möglichst ungehinderten Verkehrsfluss, vor allem für den Autoverkehr. Nach der Wende wurden die Städte autoorientiert ausgebaut. Zu groß war der kollektive Drang nach automobiler Freiheit. Zebrastreifen galten und gelten auch heute in der Verkehrsplanung häufig als “Hindernis”, da sie Autofahrer zum Anhalten zwingen, was den Verkehrsfluss bremst. Dass dies auch für eine hohe Ampeldichte zutrifft, wird dabei ausgeblendet.

2. Ampellösungen statt Zebrastreifen

In Dresden wird an vielbefahrenen Straßen häufig auf Ampeln gesetzt, weil diese aus Sicht der Verwaltung besser steuerbar sind – besonders bei großen Kreuzungen oder hohem Verkehrsaufkommen. Hinzu kommt die Strategie, den ÖPNV als starkes Verkehrsmittel weiter auszubauen. Diese Strategie bekam erstmals im Frühjahr 2025 einen Dämpfer, als die Finanzierbarkeit des ungebremsten Ausbaus an ihrer Grenzen kam und sich eine Finanzierungslücke von 18 Mio. Euro für das Jahr 2025 auftat. Dies sind etwa 10% des Gesamtetats der DVB.
Die Erfordernis von Ampeln erklärt sich durch die Regelung des Vorrangs des ÖPNV ggü. dem Individualverkehr. Z. B. werden durch Ampelschaltungen Fußgänger und Radfahrer gegenüber dem abbiegenden Busverkehr benachteiligt, damit dieser ungehindert abbiegen kann, während der Individualverkehr beim Abbiegen ggü. dem querenden Fuß- und Radverkehr wartepflichtig wäre (s. z. B. Kreuzung Waldschlößchenstraße/Bautzner Straße). Mit Ampeln werden andererseits auch Fußgängerampeln und Bushaltestellen synchronisiert. Wo Ampeln regieren, ist dadurch natürlich auch wenig Platz für ampelfreie Lösungen, wie Kreisverkehre.

3. Sicherheitsbedenken

Ein häufig ins Feld geführter Grund gegen Zebrastreifen ist das Thema Sicherheit. Studien zeigen, dass Fußgänger sich auf Zebrastreifen oft sicher fühlen – aber nicht unbedingt sicher sind, besonders wenn Autos mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. Städte wie Dresden argumentieren daher, dass Zebrastreifen nur dort eingerichtet werden sollen, wo Sichtverhältnisse, Verkehrsmenge und Tempo dies sicher erlauben. Man könnte natürlich auch argumentieren, dass der Autoverkehr gebremst werden müsste, um die Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer zu erhöhen.

4. Richtlinien und Bürokratie

In Deutschland gibt es grundsätzlich sehr strenge Vorgaben (z. B. durch die “Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen”, kurz R-FGÜ), wann und wo ein Zebrastreifen eingerichtet werden darf. Dresden wendet diese Regeln bewusst sehr zurückhaltend an. Es profitiert der motorisierte Individualverkehr sowie der ÖPNV. Benachteiligt werden Fuß- und Radverkehr. Die heterogene politische Struktur im Stadtrat verhindert hierbei eine eindeutige Strategie für eine Modernisierung der Verkehrsplanung.

5. Historisch gewachsene Stadtstruktur

Dresden hat z. B. eine kleinteilige Neustadt und viele historisch gewachsene Viertel, in denen Gehwege, Straßenbahngleise und Straßen eng nebeneinander liegen. Demgegenüber wurden nach dem 2. Weltkrieg und zu DDR-Zeiten in den Bereichen der Stadt, die im Krieg zerstört wurden, große und sehr breite Straßenzüge (z. B. St. Petersburger Str.) angelegt, die vor allem der Flüssigkeit des Verkehrs dienen sollten Beide Phänomene machen es oft schwierig, neue Zebrastreifen regelkonform zu bauen – etwa wegen fehlender Mindestabstände oder Sichtachsen oder einfach deswegen, weil die Größenverhältnisse nicht fußgängerfreundlich ausgebaut wurden.

Fazit:

Dresden setzt bei Fußgängerquerungen eher auf andere Lösungen wie Mittelinseln, Fußgängerampeln oder sogenannte “Querungshilfen” statt klassischer Zebrastreifen. Diese Planung wird regelmäßig kritisiert – besonders von Fußgängerverbänden und Elterninitiativen. Wenn wir es in Dresden schaffen, die Blickrichtung in der Verkehrsplanung in den nächsten Jahren in eine andere Richtung drehen, haben wir Chancen ähnliche Erfolge zu erzielen, wie z. B. Leipzig.

1. Leipzig – Fußgängerfreundlicher als Dresden

Leipzig gilt im Vergleich zu Dresden als fußgängerfreundlicher:

  • Mehr Zebrastreifen: Leipzig hat in vielen Wohngebieten und an Schulen deutlich mehr Fußgängerüberwege eingerichtet. Die Stadt nutzt Zebrastreifen bewusst als Mittel zur Verkehrsberuhigung.
  • Beteiligung der Bürger: Leipzig bezieht Bürgerinitiativen und Schulen in die Verkehrsplanung ein. Oft entstehen neue Überwege auf Vorschlag von Anwohnern.
  • Pilotprojekte: Die Stadt erprobt neue Lösungen, etwa bunte Zebrastreifen oder temporäre Querungen bei Veranstaltungen oder Schulbeginnzeiten.
  • Verkehrskonzept „Stadt für Menschen“: Leipzig verfolgt ein modernes Mobilitätskonzept, das den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) priorisiert – der Autoverkehr hat nicht mehr automatisch Vorrang.

2. Berlin – Flexibler, aber uneinheitlich

Berlin zeigt ein gemischtes Bild:

  • Bezirke entscheiden: Die Zebrastreifen-Planung ist dezentral organisiert. Einige Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Pankow sind sehr aktiv, andere weniger.
  • Viele neue Überwege: In den letzten Jahren wurden dutzende neue Zebrastreifen in Berlin geschaffen – vor allem vor Kitas, Schulen oder Senioreneinrichtungen.
  • Starker öffentlicher Druck: In Berlin gibt es eine breite Lobby für Fußgängerrechte, inklusive Verbände wie „Changing Cities“, die Zebrastreifen fordern und teils medienwirksam Aktionen organisieren.

Vergleich Dresden vs. Leipzig/Berlin:

KriteriumDresdenLeipzigBerlin
Anzahl ZebrastreifenGeringMittel bis hochHoch (in manchen Bezirken)
FußgängerfreundlichkeitMittelmäßigHochUneinheitlich, teils hoch
Beteiligung der BürgerEingeschränktAktivBezirksabhängig
Tempo bei UmsetzungLangsamModerat bis schnellUnterschiedlich