Unser blaues Wunder

Man könnte sich angesichts der erhitzten Diskussion bezüglich des aktuellen Verkehrsversuchs auf dem Blauen Wunder die Augen reiben und die Ohren putzen. Da fordern vornehmlich Autofahrende den Abbruch des Versuchs. Einige wissen auch zu berichten, dass sich der Versuch negativ auf die Stauentwicklung auswirke, ebenso auf die Gefahr für Radfahrende wird ins Feld geführt. Alles ist gut genug, um die Veränderung, die ins Haus steht, abzuwenden, nicht zu akzeptieren und vor allem Revision zu fordern. Was steckt da dahinter? Warum die Panik?

Wir wissen, die Verkehrswende ist längst Grundlage politischen Handelns ob rechts, ob links in Deutschland. Selbst die schlimmsten Radverkehrsgegner und hartgesottensten Autofahrenden wissen, die Transformation ist schon längst im Gange. Da verändert sich was um uns herum. Es ist so ähnlich wie wir beobachten, dass um uns herum vegan werden und auf tierische Lebensmittel verzichten. Das Schlimmste ist, es entsteht ein Sog, ein Veränderungsklima, eine Angst bei denen, bei denen sich vermeintlich nichts tut und die so weiter leben wie bisher. Da ist auch die Angst, den Anschluss zu verpassen.

Die Reaktion darauf ist immer die Gleiche: das Neue wird abgewertet, abgelehnt und schlecht geredet. Die, die das Neue leben werden kritisiert, beschimpft und stigmatisiert.

Dabei geht es genau um das Thema Veränderung bei einem Verkehrsversuch. Und der schließt sogar Verhaltensänderung bei den Beteiligten ausdrücklich ein. Ja, der Stau wird eine psychologische Wirkung entfalten, ja, Autofahrende werden die Strecke ggf. meiden. Manche werden sich überlegen, welche Alternativen es zur Strecke gibt, die sie bisher immer gefahren sind. Die Menschen arrangieren sich mit der Situation und finden neue Möglichkeiten, ihre Ziele zu erreichen. Ein ähnlicher Effekt entstünde ja auch bei einer baustellenbedingten Vollsperrung des Blauen Wunders.

Ein Verkehrsversuch ist in erster Linie ein soziales Experiment. Es geht ums Ausprobieren des Neuen, in Berlin nennt man solche Radwege PopUp. Es geht ums erproben, wie die Umwelt reagiert, das bedeutet wie sie ihr Handeln umstellt. Über Art und Weise der Ausführung einer Markierung soll ebenfalls Kenntnis entstehen, im Wesentlichen geht es aber um die soziale Interaktion im Verkehr.

All das zusammen ist auch Teil des Verkehrsversuchs und bewusst so initiiert. Es geht um Veränderung. Probiert‘s aus!

Nachtrag: Heute, am 18.4.2024 hat unser OB Dirk Hilbert entschieden, der Verkehrsversuch am Blauen Wunder wird vorzeitig gestoppt. Das ist schade und zeugt von wenig Mut. Parteipolitische Erwägungen zur anstehenden Stadtratswahl liegen nahe. Und der Druck vom Unmut der Autofahrenden, und denen, die Veränderungen ohnehin kritisch gegenüber stehen, tut sein übriges. Natürlich haben etablierte Parteien Angst, dass die ohnehin von zu viel Grün, Vegan und Gender aufgebrachte Bevölkerungsmehrheit weiter nach rechts driftet. Ob die Rücknahme des Verkehrsversuchs jedoch das scheinbar Unvermeidliche abzuwenden vermag?